Foto: Meyer/unternehmer nrw
Ein Gastbeitrag von Arndt G. Kirchhoff – Präsident Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e.V. (unternehmer nrw)
Die nordrhein-westfälische Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Doch dies gilt für das Energie- und Industrieland Nordrhein-Westfalen insgesamt. Wir alle erleben, wie schwer die Corona-Pandemie unser Land trifft. Viele Bereiche der Industrie haben in diesem Jahr erhebliche Rückgänge in ihrer Geschäftstätigkeit erlebt – und dies zu einer Zeit, in der sie eigentlich alle Kräfte benötigen, um massive Investitionen in ihre Zukunftsfähigkeit leisten zu können. Denn es geht um die erfolgreiche Bewältigung der nachhaltigen, digitalen Transformation, die Voraussetzung für langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ist.
Auch deshalb war es so wichtig, dass die Politik in den Monaten der Pandemie – gerade hier in Nordrhein-Westfalen – gutes Krisenmanagement betrieben und mit einer Vielzahl von Unterstützungsleistungen die schlimmsten Folgen abgefedert hat. Und dennoch haben gerade Industrieunternehmen vor allem zuletzt viel Eigenkapital verloren – Geld, das sie eigentlich brauchen, um in den tiefgreifenden Strukturwandel zu investieren und ihre Geschäftsmodelle zukunftsfähig aufzustellen.
Industrielles Wertschöpfungsnetzwerk ist Standort-Vorteil für Nordrhein-Westfalen
Das Erfolgsmodell unserer Wirtschaft – und das gilt besonders für den Standort Nordrhein-Westfalen – basiert bislang auf dem funktionierenden Zusammenspiel gleich mehrerer Faktoren: Unser hoher Industrieanteil im Verbund mit hochqualifizierten industrienahen Dienstleistungen, unsere integrierten Wertschöpfungsketten und kundennahen Innovationen, dazu eine insgesamt leistungsfähige Infrastruktur, an deren Modernisierung aber unverändert hart gearbeitet werden muss, überdies unsere Wettbewerbsfähigkeit und starke Exportorientierung von leistungsfähigen Unternehmen mit qualifizierten Beschäftigten. Dies alles hilft unserem Land enorm – wirtschaftspolitisch, sozialpolitisch, regionalpolitisch!
Doch dieses Erfolgsmodell ist gerade unter Druck und mehr denn je gefordert. Denn es ist konfrontiert mit einer steigenden Dynamik in Richtung einer nachhaltigen digitalen Transformation unserer Industriegesellschaft. Wir stehen mitten in einem industriegesellschaftlichen Wandel. Dieser wird getrieben durch die Notwendigkeit zur Treibhausgasneutralität, Digitalisierung und Elektrifizierung und massiv beschleunigt durch die Herausforderungen der Corona-Krise.
Für Nordrhein-Westfalen steht dabei viel auf dem Spiel. Denn wir wissen, welch herausragende Bedeutung die industriellen Wertschöpfungsketten und der enge Verbund der Wirtschaftssektoren für Wohlstand und Arbeitsplätze in unserem Land haben. Sie sind zugleich unser strategisches Alleinstellungsmerkmal im internationalen Standortwettbewerb. Denn keine andere Region Europas kann diese Dichte gepaart mit einer exzellenten Hochschullandschaft bieten. Diesen Vorzug müssen wir noch mehr nutzen.
Nachhaltige Transformation der Industrie mit konkreten Projekten vorantreiben
Stärker denn je befinden wir uns in einem massiven internationalen Wettbewerb um die Innovationsführerschaft und die damit verbundenen notwendigen Zukunftsinvestitionen. Für das Gros der Industrieunternehmen in diesem Land sind die Zusammenhänge unzweifelhaft klar. Auch deshalb hat sich unlängst eine branchenübergreifende Initiative mehrerer Persönlichkeiten aus der NRW-Industrie aus vielen Teilen des Landes – darunter Konzern-CEOs und Eigentümer großer Mittelständler – zusammengefunden.
Wir haben gemeinsam überlegt, wie nachhaltige Transformation am Industriestandort NRW gelingen kann. Und wie Politik dabei unterstützen muss. Denn der Veränderungsdruck ist immens. Und deshalb bin ich sehr froh, dass sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung jüngst Instrumente und Programme aufgelegt haben, die die nachhaltige Transformation der Industrie auch für NRW stärken. Dabei geht es um den Ausbau Erneuerbarer Energien ebenso wie die gesamte Wertschöpfungskette rund um den Wasserstoff. Beides kann jetzt durch Fördermaßnahmen und die richtigen rechtlichen Weichenstellungen auf europäischer und auf nationaler Ebene vorangetrieben werden.
Das ist der Hintergrund für diese Initiative, die wir als Landesvereinigung der Unternehmensverbände moderiert und organisiert haben. Wir haben ein gemeinsames Projektpapier erarbeitet für eine nachhaltige Transformation in Nordrhein-Westfalen – mit 13 Projekten und einem Investitionsvolumen von rund vier Milliarden Euro. Dieses Papier haben wir unlängst Ministerpräsident Armin Laschet und Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart anlässlich eines branchenübergreifenden Spitzengespräches vorgestellt und überreicht.
Unsere Vorschläge – und das ist das Besondere – umfassen die gesamte Wertschöpfungskette des Wasserstoffes, von der Forschung über die Produktion, zum Transport und zur Speicherung bis hin zur Anwendung. Diese Spannweite lässt sich nur in Nordrhein-Westfalen umsetzen: Hier sitzen die großen Verbraucher, hier gibt es bereits heute eine beispiellose Wasserstoffinfrastruktur. Ansätze und Projekte wie diese sollen dazu beitragen, in der Industrie vermehrt „grüne“ Energie zu nutzen, um Emissionen einzusparen und so die Klimaziele zu erreichen.
Um sie zu verwirklichen, brauchen wir ein Miteinander von Politik und Wirtschaft, einen Mix aus staatlichen Instrumenten sowie privatwirtschaftlichem Engagement und Investitionslinien. Klar ist: Die Dringlichkeit des Wandels unserer Industrie ist hoch. Auch wenn die Bewältigung der Corona-Pandemie jetzt viele Kräfte bindet, so dürfen wir hier jetzt keine Zeit verlieren.
NRW braucht noch mehr Tempo beim 5G- und Breitbandausbau
Die industrielle Transformation schaffen wir aber nur, wenn Nordrhein-Westfalen noch konsequenter beim Thema Digitalisierung wird. Viele unserer Unternehmen im Land sind hier schon sehr weit, sie leben Digitalisierung längst in ihren Abläufen. Sie nutzen Informations- und Kommunikationstechnologie, damit sie Maschinen und Prozesse intelligent vernetzen können. Damit flexibilisieren wir unsere Produktion, optimieren unsere Fabriken und fördern die Kreislaufwirtschaft.
Doch immer wieder stoßen wir an unser Limit, wenn Mobilfunknetze und Leitungen an ihre Grenzen kommen. Da müssen wir in Nordrhein-Westfalen noch schneller besser werden, denn die digitale Infrastruktur im Land ist längst noch nicht überall in der Form, in der wir sie gerne hätten. Das gilt vor allem für die ländlichen Regionen, den industriellen Herzkammern unseres Landes. Gewiss: Es geschieht schon viel, aber wir brauchen noch mehr Tempo beim 5Gund Breitbandausbau. Hochleistungsfähig, sicher, flächendeckend – das sind die drei Anforderungen für die Infrastruktur einer digitalisierten Industrie. Allen muss klar sein: Ohne Digitalisierung keine Energiewende, keine Mobilitätswende, keine nachhaltige Transformation – und damit letzten Endes keine Investitionen in zukunftsfähige Arbeitsplätze. All‘ dies gehört untrennbar zusammen, es bedingt einander!
Zuletzt noch ein Gedanke, den uns Corona noch einmal sehr klar vor Augen führt: Im Vollsprint hat uns die Pandemie gezeigt, dass mobiles Arbeiten nicht nur dazu beiträgt, die Infektionszahlen niedrig zu halten, sondern auch die Chance für neue betriebliche Abläufe bietet. Auch vor Corona haben wir in unseren Unternehmen Homeoffice genutzt, doch jetzt wird diese Entwicklung noch einmal beschleunigt. Mobiles Arbeiten ist in der modernen betrieblichen Arbeitswelt längst Wirklichkeit, es funktioniert! Warum ausgerechnet hier jetzt ein gesetzlich verbrieftes, generelles Recht der Arbeitnehmer auf 24 Tage Homeoffice pro Jahr zusätzlich helfen soll, erschließt sich mir nicht. Es passt weder zu den Möglichkeiten der Unternehmen noch zu den Bedürfnissen unserer Mitarbeiter. Viel zu unterschiedlich sind in der Regel die Tätigkeiten, viel zu oft ist im Beruf kreative Teamarbeit gefragt. Deshalb mein Appell: Bitte nicht schon wieder etwas pauschal und gesetzlich regulieren, was sich in der Praxis längst eingespielt hat.
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